Einfach Märchenhaft - Rotkäppchen

 

    Rotkäppchen

    Ein Mädchen mit 'nem Modetick
    fand samtig rote Kappen
    ganz supertoll und megaschick
    sogar mit Ohrenklappen.

    Die Oma, die im Walde wohnt
    kann Schneidern, Nähen, Stricken,
    weshalb ein Ausflug sich auch lohnt,
    zum rote Kappen flicken.

    "Du Mütterchen, ich lauf mal schnell
    zur Oma, die leicht schwächelt,
    gefesselt ist - ans Bettgestell,
    nach Atem ringt und hechelt."

    Mit Körbchen in der rechten Hand
    und auf dem Kopf den Hut
    trifft Rotkäppchen am Waldesrand
    den Wolf - den Tunichtgut.

    "Wohin des Wegs, du fesches Ding?",
    so säuselt' s nett und freundlich.
    "Zur Omi - der ich Kuchen bring.
    Sie fühlt sich heute scheußlich."

    "Willst Du denn deiner Großmama
    kein Blumensträußchen pflücken?
    Sieh her das Meer an Blüten - da!
    Musst dich nur bisschen bücken!"

    "Zwar soll ich nicht vom Wege gehn,
    hat Mama mir geheißen.
    Doch wenn hier diese Blümchen stehn...
    Mich wird schon niemand beißen!"

    Derweil schleicht Raffzahn sich ins Haus
    der altersschwachen Mutter.
    Sie ist recht zäh - kein Festtagsschmaus,
    doch Wölfe brauchen Futter.

    Im Bette liegt mit Nachtgewand
    der Räuber - dieses Aas.
    Das Hemd sitzt unbequem, es spannt,
    weil er die Oma fraß.

    Schon klopft das Kind am Eingangstor.
    "Es ist so ruhig - verdächtig!
    Auch Omi kommt ganz fremd mir vor.
    Sie wirkt recht dick und mächtig!"

    "Warum ist deine liebe Hand
    so dunkel und behaart?",
    fragt Rotkäppchen vom Schreck gebannt.
    "Hab Seife nur gespart!"

    "Warum liegt dein Gebiss denn nicht
    im Nachttischwasserglas?"
    "Ich bin der Wolf - der Bösewicht
    und fress dich - was für' n Spaß!"

    Der Wolf springt auf, das Nachthemd reißt,
    schnappt' s Mädel mit den Tatzen,
    worauf sie schreit: "Der Wolf - er beißt!"
    Die Käppchennähte platzen.

    Was für ein Pech - kein Hauptgewinn
    für Oma, Kind und Hut,
    die sind nun hin - im Magen drin.
    Ich glaub, das geht nicht gut.

    Zum Glück schleicht sich ein Jägersmann
    heran. "Grunzt hier ein Schwein?
    Doch hört es sich wie Schnarchen an.
    Soll das die Oma sein?"

    Der Jäger ruft: "Du Ungetüm!
    Jetzt hauchst du aus dein Leben...",
    lädt seine Flinte ungestüm,
    "...denn Schrot werd ich dir geben!"

    Doch plötzlich hüpft des Wolfes Fell,
    der Bauch vibriert und bebt.
    Der Jägersmann ist ziemlich hell.
    "Mein Gott - die Alte lebt!"

    Die Schere schneidet Schnipp und Schnapp.
    Schon ist der Magen leer.
    Der alte Wolf fühlt sich ganz schlapp,
    doch Ärger gibt' s noch mehr.

    Der Jäger füllt den Bauch mit Wein.
    Die Wirkung ist erheblich.
    Der Wolf schlägt sich die Zähne ein
    am Stein - das Schrein vergeblich.

    Der böse Wolf denkt bei sich: "Mist!
    Das Beißen macht mir Mühe!"
    Und wenn er nicht gestorben ist,
    schlürft er noch Hühnerbrühe.

    © 2006 by Dr. Steffen Heinig

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