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Frau Holle
Einer hübschen, holden gar,
Goldmarie quoll golden Haar,
borstig lang an schwachen Beinen,
struppig wie bei Bachen, Schweinen.
„Prima!“ rief das feine Mädchen,
„Ich rasiere meine Fädchen!“,
schnitt die Borsten, sann versponnen,
nahm den Knäuel und spann versonnen.
Ob sie ihrem Schöpfchen traute,
als sie rote Tröpfchen schaute?
Hände sah sie schnöde bluten,
zog verdächtig blöde Schnuten,
sprang mit Fingerbluten, flau,
in die Brunnenfluten, blau
lief sie an, ein Socken troff,
bis sie Brunnen trocken soff!
Doch Marie rief: „Hach!“ und weil
sie noch lebte, wach und heil,
sah sie einen Ofen, dort
qualmte er am doofen Ort.
Stöhnend rief schon Brot zu Taten,
denn es drohte tot zu braten!
Ihre Finger, kleine Stumpen,
bargen schwarze Steine, Klumpen.
Äpfel riefen: „Beine, Dirne,
wuchern dir wie deine Birne!“
Goldmariechen motzte: „Runter!“,
schlug den Stamm und rotzte munter.
Apfelpampe jauchte faulend
und Mariechen fauchte jaulend.
Scheinbar nahm das Mädel Schaden,
trafen ihren Schädel Maden.
Dort am Hang, das olle Haus,
sah wie von Frau Holle aus.
Hässlich und mit Zausemähne,
zischte sie durch Mausezähne,
dass Mariechen wetzen solle,
sich Frau Holle setzen wolle.
„Marsch zum Kissen hinter wetzen,
Federn durch den Winter hetzen!“
Goldmarie ließ Knuten pochen,
brach in Massen Putenknochen,
später dann entschwand der Hahn,
starb durch ihre Hand der Schwan!
Aus den Federn staubte Schnee.
Nur Frau Holle schnaubte: „Steh!“,
die mit Trauermiene weinte,
weil sie nicht „Lawine“ meinte.
„Mach, bevor ich dolle hau,
dich zurück nach Holledau!“
„Nix! Ich will besoldet gehen,
meinen Fleiß vergoldet sehen!“
Ihre fette Molle hopste,
weil sie Gold der Holle mopste,
heimwärts hüpfte, protzend strahlte,
und vor Thalern strotzend, prahlte.
Doch Marie sah leider neben
sich so manchen Neider leben,
denn die faule Schwesterngöre
rief: „Bin ich von gestern? Schwöre,
werde dort, statt Rammeln Gaffen,
bei Frau Holle gammeln, raffen!“,
schrie, wie sonst nur Hunnen brüllen
und verschwand in Brunnenhüllen.
Wusstet ihr, die schlauen Grimm,
schwiegen hier, das Grauen; schlimm!
Pechmariechen schliff zum Grund,
schluckte Schlamm und griff zum Schlund,
trieb im Schlick wie Scholleneis,
ruderte im ollen Scheiß!
Klar, der Schwester Wassernaschen
unterband ihr nasser Waschen.
So ein Pech, statt Brote tüten,
ließ die Faule Tote brüten.
Auch die Äpfel heulten binnen
kurzer Zeit und beulten innen,
weil das Aas die besten riss
und in deren Resten biss!
Hin zum Hause hallte: Olle!
Her mit Gold, du alte Holle!“
Kindern fehlten Hennenflocken.
Sah Marie sie flennen, hocken?
Oh, sie ließ auf kleine Backen
nackte Hühnerbeine klacken!
Als sie auf Gerippen liefen,
schluchzten sie, die Lippen riefen:
„Schwarze Flocken!“ Knaben rochen,
an gefrornen Rabenknochen!
Als das Luder wieder fühlte,
träge in Gefieder wühlte,
dass sie es nun wagen solle,
ihre Wünsche sagen wolle,
sprach Marie: „Den Zaster, Lack!
Lad ihn auf den Laster, zack!
Her mit meinem Gammelsold,
denn du weißt, ich sammel Gold!“
Doch Frau Holle stand und tönte:
„Du begehrst nach Tand?“ und höhnte:
„Pech, Marie, statt Guldenschar
blieben mir nur Schulden gar!
Deine Schwester glaubte, reich
wäre toll, sie raubte gleich
Taler, welch gemeine List,
haute ab, zog Leine, Mist.
Musstet ihr die Matzen speisen,
selbst die kleinen Spatzen, Meisen!?“
Du wirst dulden, was ich schenke,
hohe Schulden! Was ich denke?
Zahle Zinsen, wimmer und
plag dich hier für immer wund!
Ich fahr ab nach Holledau,
wo ich mächtig dolle hau!“
Beide Vogelleichen-Weiber
heulten, ihre weichen Leiber
beulten, Kleiderbügel prellten
bis sie ob der Prügel bellten.
Ohne goldne Kleider leben
musste eine, leider kleben
blieb Marie im ollen Haus,
sieht, welch Pech, wie Hollen aus!
Und wenn sie nicht mehr munter ist,
dann fault die Faule unter Mist.
© 2006 by Dr. Steffen Heinig
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